Hermann Kappelhoff Ehem. Senior Fellow

Hermann Kappelhoff
Oktober 2018 - März 2019

Vita

Hermann Kappelhoff ist seit 2003 Professor am Seminar für Filmwissenschaft der Freien Universität Berlin und Sprecher der Kolleg-Forschergruppe „Cinepoetics – Poetologien audiovisueller Bilder“, die im Oktober 2015 ihre Arbeit aufgenommen hat. Er promovierte 1993 mit einer Dissertation zur Poetologie des Weimarer Autorenkinos (Der möblierte Mensch. G.W. Pabst und die Utopie der Sachlichkeit. Ein poetologischer Versuch zum Weimarer Autorenkino, erschienen 1995) und habilitierte sich 2001 mit einer Arbeit über das Melodramatische des Kinos als Paradigma einer Theorie der künstlichen Emotionalität (Matrix der Gefühle. Das Kino, das Melodrama und das Theater der Empfindsamkeit, erschienen 2004). Im Wintersemester 2009/10 hatte Kappelhoff eine Max-Kade-Visiting-Professur an der Vanderbilt University in Nashville (USA).

Zuvor war er Sprecher des Exzellenzclusters „Languages of Emotion“, wo er mehrere Forschungsprojekte leitete. Neben seiner Tätigkeit als Fachvertreter der Medienwissenschaft im Fachkollegium der DFG war er außerdem Leiter des Teilprojektes „Die Politik des Ästhetischen im westeuropäischen Kino“ im SFB 626 „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“ (2007-2014) und des DFG-Projekts „Inszenierungen des Bildes vom Krieg als Medialität des Gemeinschaftserlebens“ (2011-2015). Aktuell leitet er das Teilprojekt Migrantenmelodramen und Einwanderungskomödien: Medienformate deutsch-türkischer Gemeinschaftsgefühle im SFB 1171 „Affective Societies: Dynamiken des Zusammenlebens in bewegten Welten“. Kappelhoff ist zudem Mitglied der Graduate School of North American Studies und des Dahlem Humanities Center.
Stand: 2019

IKKM Forschungsprojekt

Zur Poiesis des Filme-Sehens: Filme-Machen zwischen Deutschland und Türkei (eine Fallstudie)

Meinen Aufenthalt am IKKM möchte ich dazu nutzen, um die Arbeit an einem Buch voranzutreiben, das sich mit Filmen und FilmemacherInnen beschäftigt, die in der internationalen wie nationalen kulturwissenschaftlichen Diskussion unter dem Label „deutsch-türkischer Film“ firmieren. Die Studie bezieht sich u.a. auf empirisches Material, das in einer Folge von Workshops mit einer Fokusgruppe zusammengetragen wurde: es handelt sich hierbei im Kern um Gesprächsrunden, die wir (Nazlı Kilerci, Hauke Lehmann und ich) im Februar und März 2017 am Cinepoetics-Kolleg veranstaltet haben. Gäste waren drei FilmemacherInnen – Buket Alakuş, Serkan Çetinkaya und Ayşe Polat –, deren Arbeit oft mit Bezug auf das erwähnte Label rezipiert wird; unterstützt wurden wir von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen des Forschungskollegs, die reichlich Erfahrung in filmanalytischer Gesprächsführung haben.

Wie hängen Medienkonsum und Filme-Machen zusammen? In welchen audiovisuellen Diskursen bewegt man sich und wie transformieren sich die eigenen Erfahrungen beim Herstellen von Filmen oder Videoproduktionen? Inwieweit dient das Filmemachen einer expliziten Positionsbestimmung gegenüber anderen medialen Formationen (Hollywood, Autorenkino, deutscher Film, türkischer Film, Folklore, Fernsehen, Internet)? Diese und ähnliche Fragen waren es, die im Zentrum der Gespräche standen. Die Gespräche liegen als Transkripte vor und bilden gemeinsam mit filmanalytischen Studien zu den Arbeiten der genannten KünstlerInnen die Grundlage für das diesbezügliche Buchprojekt.

Die Arbeit der Forschergruppe lässt sich grundlegend wie folgt skizzieren: Auch wenn die Bezeichnungen „deutsch-türkischer Film“ und „türkischer Film“ in ihrer identitätspolitischen Stoßrichtung höchst problematisch sind (und daher einer kritischen Analyse unterzogen wurden), sind – historisch betrachtet – mit dem entsprechenden Labeling kulturpolitische Strategien verbunden gewesen, mit denen sich eine Gruppe von FilmemacherInnen das kulturelle Kapital für den Eintritt in das deutsche Filmsubventionssystem verschaffte. Wir befragen die Strategien und Poetiken dieser Gruppe von FilmemacherInnen mit Blick auf de Certeau als „Taktiken des Medienkonsums“. D.h., wir verfolgen in diesem Projekt die These, dass die Gemeinsamkeiten der FilmemacherInnen und Filme, die unter dem Label zusammengefasst werden, nicht auf der Ebene des Dargestellten aufzusuchen sind – etwa indem man in den Filmen die Umstände von Migrantenmilieus repräsentiert sieht –, sondern in der Art und Weise, in der die Filme mediale Wahrnehmungsformen und Positionen des „Zuschauens“ innerhalb eines hegemonialen Unterhaltungs- resp. Kunstbetriebs etablieren, von denen aus differente Wahrnehmungsweisen beschreibbar werden. Es geht uns also darum, die Filme selbst als Zeugnisse der „Praxis des Medienkonsums“ unter den Bedingungen heterogener kultureller Bezugsfelder zu rekonstruieren.

Ausgewählte Publikationen

Monographien

Kappelhoff, Hermann. Kognition und Reflexion: Zur Theorie filmischen Denkens. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018.
Müller, Cornelia / Kappelhoff, Hermann. Cinematic Metaphor. Experience – Affectivity – Temporality. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018.
Kappelhoff, Hermann. Front Lines of Community: Hollywood Between War and Democracy. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018.
Kappelhoff, Hermann. Genre und Gemeinsinn: Hollywood zwischen Demokratie und Krieg. Berlin/ Boston: De Gruyter, 2016.
Kappelhoff, Hermann. The Politics and Poetics of Cinematic Realism. New York: Columbia University Press, 2015.

Herausgeberschaften

Kappelhoff, Hermann / Lötscher, Christine / Illger, Daniel (eds.). Filmische Seitenblicke: Cinepoetische Exkursionen ins Kino von 1968. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018.
Greifenstein, Sarah / Horst, Dorothea / Scherer, Thomas / Schmitt, Christina / Kappelhoff, Hermann / Müller, Cornelia (eds.). Cinematic Metaphor in Perspective. Reflections on a Transdisciplinary Framework. Berlin/Boston: De Gruyter, 2018.

Artikel

Kappelhoff, Hermann. Visualizing Community: A Look at World War II Propaganda Films. In: Anders Engberg-Pedersen, Kathrin Maurer (eds.) Visualizing War: Emotions, Technologies, Communities. New York/London: Routledge, 2017, 133–145.
Kappelhoff, Hermann / Lehmann, Hauke. Zeitkonstruktion, Zeiterfahrung und Erinnerung im Film – Theorien filmischer Zeit. In: Bernhard Groß, Thomas Morsch (eds.) Handbuch Filmtheorie. Wiesbaden: Springer, 2017.