Antoine Hennion Ehem. Senior Fellow

Antoine Hennion
April - September 2013

IKKM Forschungsprojekt

Wie kann Soziologie pragmatisch sein?

Wenn man sie ernst nimmt, beinhaltet die Forderung, Soziologie pragmatischer zu machen, eine recht radikale Neu-Definierung der soziologischen Arbeit sowohl auf einer theoretischen als auch auf einer methodologischen Ebene: Welchen Status haben die verwendeten Begriffe und wie können sie genutzt werden, wenn sie nicht mehr als Werkzeuge der Verallgemeinerung gelten? Wie können Worte verwendet werden, die geschaffen wurden, um bezeichnete Dinge aus ihrem Kontext herauszuheben, wenn dies das genaue Gegenteil eines pragmatischen Programms bedeuten würde? Wie können Untersuchungen anhand ihrer Fähigkeit bewertet werden, sich auf die Situation und die Personen, die in ihnen analysiert werden, auszuwirken, wenn mit der Forderung nach Wissenschaftlichkeit traditionell auch die Forderung nach Unabhängigkeit, Neutralität oder kritischer Distanz einhergeht? Welche Rolle bleibt dann für die Soziologie? Diese Schwierigkeiten können in Ressourcen verwandelt werden, wenn man die Kompetenzen von Akteur/innen und die Handlungsmacht von Dingen anerkennt. Soziologische Untersuchungen können als eine Art des Sammelns, Übersetzens und Verbindens von Fragen verstanden werden, die bereits durch Betroffene bearbeitet wurden. Antoine Hennion arbeitet in vielfältigen Feldern, in denen ein solch pragmatischer Ansatz getestet und erfahren werden kann: Geschmack, Musik, Altern und Behinderung, Sport, Alkoholismus und Drogen… Er verwendet und prüft dabei Begriffe wie „Attachments“ (was Dinge und Menschen hält) und „Agencements“ (was sie handeln lässt). Während seines Aufenthalts am IKKM wird er sich im Besonderen einerseits mit Pflege (vor allem häuslicher Pflege) und den Themen, die die Forderung nach einer situierten Ethik hervorbringen, beschäftigen und andererseits mit „performativer Fiktion“ (in dem Sinn, in dem Bruno Latour sie unter dem Spitznamen FIC als eine der 15 „Existenzweisen“ vorschlägt) wie etwa Musik und Kunst, jedoch auch anderer Aktivitäten, die seiner eigenen Arbeit oder jener seiner Kolleg/innen und Doktorand/innen entnommen wurden, etwa aus den Bereichen der Technologie, Wissenschaftspolitik, häuslichen Pflege etc.

Stand: 2013